In Göttingen wird die Disc Golf-Anlage bereits gut genutzt

20.05.2020 | Kategorie: 2020 , TopNews , Aus den Hochschulen

Restart in Göttingen: „Sportangebot mit Abstand“

Nachdem die Landesregierung in Niedersachsen die Einschränkungen aufgrund der Covid-19-Pandemie für den Sportbetrieb gelockert hatte, hat der Hochschulsport Göttingen sein analoges Angebot wieder aufgenommen.

Wie das aussieht, welche Erfahrungen die Verantwortlichen vor Ort gemacht haben und wie die Zukunft des Hochschulsports in der Nach-Pandemie-Auszeit aussehen könnte, erklärt Dr. Arne Göring, Kommissarischer Leiter der Zentralen Einrichtung Hochschulsport an der Georg-August-Universität Göttingen, im Interview.

adh.de: Seit geraumer Zeit haben die Landesregierungen Bundesland-spezifische Lockerungen der aufgrund der Covid-19-Pandemie verhängten Einschränkungen vorgenommen. Wie ist bei euch die momentane Situation?

Dr. Arne Göring: Die Landesregierung in Niedersachsen hat den Sport auf Außenanlagen mit nur geringen formalen Auflagen wieder ermöglicht.

Seit dem 11. Mai haben wir in Absprache mit dem Präsidium unserer Universität ein „Sportangebot mit Abstand“ auf die Beine gestellt. Es berücksichtigt sowohl die Vorgaben des Landes zur Durchführung des Sports auf den Außenanlagen des öffentlichen Raums als auch die etwas strengeren Regeln der Universität zum Präsenzbetrieb selbst.

Wie sieht euer derzeitiges analoges Programm aus?

Unser analoges Angebot beinhaltet ein kleines Group-Fitness-Angebot und stellt ansonsten ein extrem abgespecktes Standardprogramm mit einigen Ausnahmen, zum Beispiel Tanz, dar. Von Bogensport bis Zumba haben sich viele Angebote als durchführbar herausgestellt.

Seit wann habt ihr euch auf den Restart vorbereitet?

Wir haben uns schon seit Beginn der Corona-Krise eng mit dem Krisenstab der Universität und darüber hinaus mit dem betriebsärztlichen Dienst der Universitätsmedizin zur Situation ausgetauscht und uns so früh mit unterschiedlichen Szenarien und Rahmenbedingungen auseinander gesetzt.

Das hat uns sicherlich einen kleinen Vorsprung verschafft und es uns ermöglicht, direkt zur behördlichen Öffnung der Sportanlagen auch mit einem eigenen, abgesicherten Sportprogramm zu starten.

Wir haben parallel auch an Handlungsempfehlungen für die Übungsleitenden gearbeitet und die technische Infrastruktur, insbesondere die besonderen Anmeldebedingungen, vorbereitet.

Wie sehen diese Handlungsempfehlungen aus?

Unsere Übungsleitenden sind durch schriftliche Unterweisungen auf die besondere Situation hingewiesen worden. Wir haben unser Konzept für den analogen Sportbetrieb auf wichtige, nachvollziehbare Regeln zusammen geschmolzen.

Wir haben darüber hinaus mit jedem einzelnen Übungsleitenden die sportartspezifischen Rahmenbedingungen besprochen und auf unseren Standort angepasst. Die Übungsleitenden sind dabei extrem konstruktiv und holen wirklich das Beste aus der Situation heraus.

Wie hat euer Restart funktioniert?

Wir haben nur Sportarten ins Programm aufgenommen, die sich ohne grundsätzlichen Körperkontakt trainieren lassen. Gesellschaftstanz oder Kampfsportarten haben wir deshalb in erster Instanz ausgeschlossen.

Nach zehn Tagen Testphase haben wir aber auch erkannt, dass sowohl die Fachverbände als auch unsere Übungsleitenden kreative Lösungen erarbeitet haben, die zum Beispiel ein Judotraining mit Abstand erlauben. Da wir ein riesiges Außengelände zur Verfügung haben, werden wir zukünftig in kleinen, räumlichen abgetrennten Bereichen auch solchen Sportarten ein Outdoor-Training ermöglichen können.

Mit welchen Herausforderungen und Schwierigkeiten hattet ihr zu kämpfen?

Die an sich tollen Außenanlagen in Göttingen haben leider den Nachteil, dass unser Gelände nicht komplett abgesperrt werden kann. Das ist zwar für die Zuwegung ein Segen aber gleichzeitig auch die größte Herausforderung.

Neben unseren eigenen Gruppen drängen immer wieder informelle Sportgruppen auf unser Gelände, die wir dann – bei Verletzung der Abstandsregeln – des Platzes verweisen müssen.

Während bei unseren Gruppen und Angeboten ein großes Verantwortungsbewusstsein vorherrscht, beobachten wir bei informellen Sportgruppen bisweilen wenig Verständnis für die Kontaktverbote im Sport. Wir werden sehen, ob wir diese Situation ohne Security bewältigen können.

Könnt ihr die Kletterhalle nutzen?

Die Kletterhalle ist genauso geschlossen wie unser Fitnessstudio. Beide haben aber Freiluftangebote etabliert, die zumindest einen rudimentären Sport- und Trainingsbetrieb ermöglichen.

Die behördliche Öffnung der Anlagen steht in Niedersachsen noch aus. Wir hoffen, dass wir diese beiden Angebotssegmente in Kürze wieder eröffnen können, aber wissen hierzu noch nichts Genaues.

Wie wird euer Angebot wahrgenommen?

Es sind auf jeden Fall deutlich weniger Teilnehmende als sonst. Das liegt nicht nur an den starken Teilnahmebeschränkungen, sondern sicherlich auch daran, dass viele Studierende gar nicht in Göttingen sind, sondern das digitale Semester an anderen Orten verbringen.

In Göttingen, wo Studierende eine dominante Gruppierung darstellen, merkt man das sofort. Auch die Stadt ist ziemlich leer.

Welches Feedback bekommt ihr von den Studierenden und Bediensteten?

Die Teilnehmenden haben insbesondere die digitalen Angebote sehr gelobt. Aber es freuen sich auch sehr viele, dass wir die Außenanlagen wieder in Betrieb genommen haben.

Natürlich gibt es auch Menschen, die unsere vorsichtige Vorgehensweise kritisieren und mehr Angebote in ihren präferierten Sportarten wünschen. Aber es geht in diesen Zeiten einfach nicht alles, was man sich wünscht.

Was plant ihr für die nächsten Wochen?

Der Fokus liegt auf der Wiedereröffnung der Kletterhalle (RoXx) und des Fitnesszentrums (FiZ). Beide Angebotssegmente finanzieren sich bis auf den letzten Euro selbst, so dass wir hier allein aus wirtschaftlichen Gründen eine Wiedereröffnung brauchen. Die Personalkosten laufen ja weiter.

Kurzarbeit ist bei uns an der Universität nicht vorgesehen, so dass wir dringend Einnahmen benötigen, um nicht unterzugehen.

In beiden Bereichen sehe ich zudem optimale Bedingungen für die Einhaltung der Hygiene- und Kontaktbestimmungen. Die Wiedereröffnung wird uns sicherlich noch einiges an Arbeit abfordern, aber ich bin guter Dinge, dass wir hier mit unseren Konzepten erfolgreich sein werden.  

Schon im März habt ihr rasch auf die Beschränkungen mit einem durchdachten Konzept reagiert und verschiedene Online-Formate ins Leben gerufen. Wie seid ihr vorgegangen?

Wir wollten von vornherein einen möglichst barrierefreien Zugang zu den Angeboten. Wir haben ein Konzept entwickelt, welches eine ständig verfügbare Mediathek mit vielen Videos zum Download als auch ein Live-Streamingangebot vorsieht, welches allen Hochschulsportmitgliedern zur Verfügung steht.

Wir haben uns daher gegen Zoom oder andere anmeldepflichtigen Plattformen entschieden und streamen unsere Angebote täglich live aus unseren Hallen direkt über unsere Homepage. Dazu gehören spezielle Angebote zur Mittagszeit als auch Fitnessangebote abends.

Der Aufwand war und ist weiterhin enorm, weil wir ein komplettes Videostudio aufbauen mussten und das Live-Streaming über Twitch nicht ganz so einfach ist. Aber wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden.

Wie ist euer digitales Angebot angenommen worden?

Wir hatten am Anfang extrem hohe Zugriffszahlen mit über 15.000 Zugriffen auf die Streams und die Mediathek. So langsam flacht die Nachfrage ein bisschen ab, aber sie bleibt weiterhin auf hohem Niveau.

Da die Online-Formate weiter laufen: denkt ihr darüber nach, eine Kombination von digitalem und analogem Angebot für die Teilnehmenden anzubieten?

Daran arbeiten wir noch. Eine direkte Verknüpfung ist nicht so einfach, weil wir im Stream keine Anmeldung fordern und daher keine direkt darauf bezogenen personalisierten Angebote haben. Aber je mehr Sport wir anbieten können, desto mehr werden wir hier auch entsprechende Verbindungen aufbauen.

Wie werdet ihr in Zukunft, Online-Angebote integrieren?

Den Digitalisierungsschub, den wir in den letzten acht Wochen vollzogen haben, wollen wir unbedingt nutzen. Mein Eindruck ist, dass sich bestimmte Sportarten besser als digitale Angebote durchführen lassen als andere. Gerade in den Bereichen Yoga, Pilates oder Body Work Out wird die Nachfrage meines Erachtens groß bleiben.

Die Frage ist, wie sich über den Sommer die Maßstäbe entwickeln, die für ein solches Angebot angelegt werden. Ich kann mir vorstellen, dass wir das Streaming aus dem Wohnzimmer vielleicht nicht mehr so häufig sehen werden, dafür aber professionelle Angebote, die sich auch mit den Online-Fitnessstudios dieser Republik vergleichen lassen.

Wir verfolgen die Strategie, den Sommer für den Aufbau eines solch professionellen Online-Angebots zu nutzen, um zum Start des Wintersemesters unser analoges Angebot mit einem umfassenden Digitalangebot zu erweitern. Auch wenn ich dieses Angebotssegment bis jetzt nicht als prioritär betrachtet habe, bin ich mir mittlerweile sicher, dass hier auch nach Corona eine große Nachfrage bestehen bleibt.  

Welche Auswirkungen wird Corona auf die Zukunft des Hochschulsports in Göttingen und generell haben?

Neben dem Digitalisierungsschub haben wir die Zeit für umfassende Renovierungsarbeiten genutzt. Der Plan sah eigentlich vor, diese Arbeiten im laufenden Betrieb über zwei Jahre zu strecken. Jetzt haben wir es in sechs Wochen durchgezogen – eine starke Teamleistung, denn wir haben wirklich einiges verändert. Unsere Indoor-Sportanlagen sind kaum wieder zu erkennen.

Leider haben wir auf der anderen Seite starke Einnahmeverluste, um die wir uns kümmern müssen. Ich habe ehrlich gesagt noch keine Ahnung, wie wir damit umgehen werden, aber für eine Einrichtung, die sich zu 80% aus eigenen Einnahmen finanziert, ist das schon eine enorme Belastung, die wir kaum aus eigener Kraft bewältigen können.

Habt ihr das adh-Netzwerk in dieser herausfordernden Zeit genutzt?

Wir tauschen uns auf unterschiedlichen Ebenen mit vielen Einrichtungen aus und haben uns schon viel von anderen Hochschulen abgeschaut. Da die föderalistischen Rückkehrpläne sehr unterschiedlich sind, ist eine Orientierung natürlich grundsätzlich schwierig. Und selbst in Niedersachsen ist alles vollkommen unterschiedlich, jeder macht seine eigene Erfahrungen und sein eigenes Programm. Aber diese Unterschiedlichkeit hat ja auch Vorteile.

Wir können mannigfaltige Zugänge zur Thematik entdecken und von variierenden Konzepten lernen. Es ist zudem motivierend, sich auszutauschen, abzusichern und gegenseitig aufzumuntern. Die adh-Community ist wirklich toll – man merkt das jetzt nochmal stärker.

Welche Unterstützung wünscht ihr euch von der Hochschule und der Politik?

Ich wünsche mir vor allem eine finanzielle Unterstützung für die fehlenden Einnahmen und das daraus entstandene Haushaltdefizit. Ich weiß, dass im Moment alle Hilfspakete und Unterstützung fordern. Aber wenn wir keine Kompensationsleistungen für die Einnahmeausfälle bekommen, wird es schwer, den Hochschulsport Göttingen in der bekannten Angebotsstärke aufrecht zu erhalten.