Prof. Schneider, sind Studierende die erfolgreichen Spitzensportlerinnen und -sportler?
Bei nationalen und internationalen Wettkämpfen – wie Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen – erzielt die Statusgruppe der Studierenden regelmäßig sehr gute Erfolge. Die Erfahrungen zeigen auch, dass studentische Spitzensportlerinnen und -sportler im Studium genauso ehrgeizig wie im Sport sind. Sie bringen dabei wichtige Kompetenzen aus dem Sport mit: Sie können ihre Zeit gut managen, sich fokussieren, mit Doppel- beziehungsweise Mehrfachbelastungen umgehen und haben erwiesenermaßen eine hohe Resilienz. Dies konnte auch durch unsere Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahre bestätigt werden. Bei einer Replikationsstudie des Forschungsprojekts „Kollege Spitzensportler“ von Prof. Dr. Sascha Schmidt und Thomas Saller, wo berufsrelevante Persönlichkeitsmerkmale von Studierenden und studierenden Athletinnen und Athleten erhoben wurden, konnte die Hypothese, dass Spitzensportlerinnen und -sportler besonders leistungsorientiert, engagiert und diszipliniert sind, erneut untermauert werden.
Wieso entscheiden sich junge Aktive für eine Duale Karriere?
Jede Karriere im Spitzensport ist endlich. Durch ein Studium haben die Aktiven eine Perspektive und eine Risikoabsicherung für die Zeit nach dem Sport. Dazu kommt, dass viele Sportlerinnen und Sportler ein Studium auch als psychologische Entlastung während ihrer Spitzensportkarriere betrachten. Sie denken nicht rund um die Uhr an den Sport, sondern befassen sich auch mit dem Studium. Das fördert wiederum die Persönlichkeitsentwicklung und kann sich positiv auf beide Bereiche auswirken.
Welche Rolle spielt das Thema Duale Karriere derzeit im deutschen Sport? Welche Erfolge und welche Herausforderungen zeichnen sich ab?
In Deutschland arbeiten seit rund 25 Jahren viele Player in einem Netzwerk daran, Duale Karrieren im Spitzensport zu ermöglichen. Dazu zählen neben dem adh und dem DOSB die Hochschulen, die Deutsche Sporthilfe, die Sportfördergruppen, die Laufbahnberaterinnen und -berater der Olympiastützpunkte und natürlich die Trainerinnen und Trainer.
Die Herausforderungen liegen meiner Meinung nach aktuell darin, nachhaltige Strukturen zu schaffen, mit denen noch individuellere Ausbildungswege möglich sind. Dafür benötigen wir die politische Unterstützung. Nur mit fest zugewiesenen Ressourcen, die nicht nur Projektcharakter haben, können wir nachhaltige Netzwerke und Partnerschaften aufbauen. Ich denke aber, wir sind hier auf einem ganz guten Weg.
Wie nehmen Sie die deutschen Hochschulen und den adh als Dachverband in diesem Netzwerk wahr?
Inzwischen gehören 116 Hochschulen dem vom adh initiierten Netzwerk „Partnerhochschule des Spitzensports“ an. Viele der Hochschulen haben erkannt, dass die Förderung von Studium und Spitzensport mehr als nur ein Imagefaktor ist, sondern ein wichtiges Handlungsfeld im Bereich Third Mission der Hochschulen. Auf Grund des immanenten Leistungs- und Erfolgsdruck des Spitzensports und der enormen Konkurrenzsituation auf internationaler Ebene können und dürfen die Aktiven ihr Trainingspensum und Wettkampfengagement nicht beliebig reduzieren und an Studienanforderungen anpassen. Kompromisse zulasten des Spitzensports sind daher ausgeschlossen.
In der Ermöglichung von Dualen Karrieren nehmen die Hochschulen eine Schlüsselrolle ein, da diese die notwendige Möglichkeit zur Flexibilisierung des Studiums haben. Heute finden sich bei den Partnerhochschulen des Spitzensports umfangreiche Betreuungs- und Unterstützungsstrukturen. Jedoch wäre ein weiterer Ausbau des Leistungsspektrums wünschenswert. Der adh, der auf politischer Ebene hervorragende Arbeit leistet, muss künftig auf institutioneller Ebene der Hochschulen dafür sorgen, dass er die Möglichkeit gibt, dass sich engagierte Hochschulmitglieder qualifizieren und weiterbilden können. Zudem brauchen wir eine noch höhere Bekanntheit für die bereits bestehenden Angebote des Netzwerks. Ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere neu gegründete Arbeitsgruppe „Studium und Spitzensport“ gemeinsam mit zahlreichen Netzwerkpartnern des Verbundvorhabens „Partnerhochschule des Spitzensports“ nachhaltige Maßnahmenpakete schaffen wird.
Wie schätzen Sie die Perspektiven der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, adh und DOSB ein?
Die Laufbahnberatungen an den Olympiastützpunkten des DOSB sind für die Athletinnen und Athleten die zentralen Kontaktstellen, wenn es um die Vereinbarkeit von Leistungssport und Studium geht. In Kooperation mit der OSP-Laufbahnberatung agieren Spitzensportbeauftragte der Partnerhochschulen des Spitzensports als kompetentes Team, wenn es um Ermöglichung von Dualen Karrieren in Form eines Studiums oder sogar der Promotion geht. Dies gelingt an vielen Orten in Deutschland schon hervorragend. Dennoch müssen der DOSB und der adh weiter daran arbeiten, dass die Möglichkeiten zur Vereinbarung von Studium und Spitzensport wachsen und an Qualität gewinnen.
Wie beurteilen Sie die Relevanz des Themas Duale Karriere in der aktuellen Diskussion um das Sportfördergesetz?
Am 26. Juni tagte der Sportausschuss des Deutschen Bundestags zu Thema „Duale Karriere im Spitzensport“, wo ich neben Karin Orgeldinger, Franziska van Almsick, Markus Kremin und Prof. Dr. Swantje Scharenberg, als Sachverständiger eingeladen wurde. Für mich ist die Ausschusssitzung ein wichtiges Zeichen und spricht auch für die hohe Relevanz des Themenfelds Duale Karriere für das neue Sportgesetz. Dies wurde auch beim Parlamentarischen Frühstück des adh im März 2024 sowie in früheren Gesprächen mit den Vertretern des Sportausschusses deutlich. Für die erfolgreiche Unterstützung von Dualen Karrieren, insbesondere an den Hochschulen, ist aus meiner Sicht auf politischer Ebene vor allem die Unterstützung durch die jeweiligen Bundesländer notwendig. Es wäre ein bedeutender Schritt, wenn das freiwillige Engagement bei der Unterstützung von Spitzensportlerinnen und -sportlern an den akademischen Einrichtungen in den Zielvereinbarungen der Hochschulentwicklungspläne der Länder seine Berücksichtigung findet und für langfristig planbare Ressourcensicherheit führt.
Die Hochschule Mittweida gehört seit 1999 als eine der ersten deutschen Hochschulen dem Netzwerk „Partnerhochschule des Spitzensports“ an. Welche Entwicklungen haben Sie beobachtet?
Seit jetzt fast 25 Jahren ist enorm viel passiert, was die Unterstützungsleistungen zur Ermöglichung der Dualen Karriere im Spitzensport betrifft. Ich kann mich noch gut an die Anfangszeit erinnern. Damals war ich einer der Ersten, die als Aktive an der Hochschule von der Initiative „Partnerhochschule des Spitzensports“ profitieren durften. Dabei leistete unser Spitzensportbeauftragter Klaus Mehnert bis zu seiner Pensionierung mit enorm viel Engagement gegenüber der Hochschulleitung, den Fakultäten und den einzelnen Professorinnen und Professoren wichtige Überzeugungsarbeit. Ein bedeutsamer Meilenstein war dann im Jahr 2011 der Senatsbeschluss zum Nachteilsausgleich für Studierende. Hier wurden insbesondere zahlreiche unterstützende Maßnahmen für Spitzensportlerinnen und -sportler bestätigt und es entstand ein verlässlicher rechtlicher Rahmen. Dieser regelt seitdem unter anderem die Studienplatzvergabe, die Studienorganisation sowie die Prüfungsangelegenheiten. Ab 2014 rückte die Unterstützung der Spitzensportlerinnen und -sportler auch ins Forschungs- und Entwicklungsfeld der neu berufenen Professur für Sportmanagement. Durch eine Vielzahl von Drittmittelprojekten im Bereich der Digitalisierung der Lehre entstanden nicht nur neue Lehr-Lern-Arrangements für die Aktiven, sondern es profitierten von der Initiative des adh auch weitere Studierende in besonderen Lebenslagen.
Rückblicken muss ich feststellen, dass der Erfolg der Partnerhochschulen des Spitzensports, wie beispielsweise an der Hochschule Mittweida, immer vom persönlichen Engagement und Kompetenzen der einzelnen Akteurinnen und Akteure abhängt. Die heutige Entwicklung wäre nicht ohne die Unterstützung der Rektorate der letzten Jahre möglich gewesen. Jeder personelle Wechsel ist immer mit dem Risiko verbunden, dass die Qualität in der Betreuung der Aktiven nicht mehr gegeben ist oder sich verschlechtert. Eine Verstetigung beziehungsweise der nachhaltige Aufbau von hochschulinternen Strukturen, Kompetenzen und Ressourcen wird an der Hochschule Mittweida eine wichtige Aufgabe für die Zukunft werden. Und hinter jeder erfolgreichen Dualen Karriere steht auch ein starkes externes Netzwerk. Die Hochschule profitiert dabei von der engen Zusammenarbeit mit den Laufbahnberaterinnen und -beratern des OSP Sachsen, den Ansprechpersonen der Sportfördergruppen der Bundeswehr, den Trainerinnen und Trainern der Verbände und Vereine und auch den Lehrerinnen und Lehrern der Eliteschulen des Sports.
In einem Jahr finden in Deutschland die Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games statt. Wie sollte dieses internationale, studentische Spitzensportevent zur Förderung und Sichtbarmachung von Dualen Karrieren beitragen?
Bei den Word University Games in Deutschland wird nicht nur die internationale studentische Sportelite um Medaillen kämpfen, sondern es werden damit auch zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter des internationalen Netzwerks zur Förderung der Vereinbarkeit von Spitzensport und Studium vor Ort sein. Für das Themenfeld Duale Karriere entsteht eine einzigartige Chance für öffentliche Diskussionen, einen Erfahrungs- und Wissenstransfer sowie die Steigerung der Sichtbarkeit von Netzwerkpartnern, Projekten, Forschungsergebnissen und Good Practice Beispielen.
Sie selbst haben als studentischer Spitzensportler an Studierenden-Weltmeisterschaften im Gewichtheben teilgenommen. Was verbinden Sie persönlich mit diesen Events?
Für mich ein unvergessliches Erlebnis. Nicht nur, weil ich dreifacher Weltmeister geworden bin, sondern auch, weil ich in zahlreichen Gesprächen mit anderen Athletinnen und Athleten erfahren habe, wie wichtig die Duale Karriere auch im internationalen Kontext ist. Bemerkenswert war, dass es bei vielen Ländern kaum Unterschiede bei der Besetzung der Studierenden-Nationalmannschaft im Vergleich zu den Welt- oder Europameisterschaften gab. Was damals schon für eine hohe Studierendenquote sprach, aber auch die enorme Bedeutung dieses Wettkampfformats. Für meine Sportart war ich damals der erste deutsche Teilnehmer, da war im Vorfeld viel Überzeugungsarbeit im Bundesverband notwendig. Aber in folgenden Jahren waren deutsche Gewichtheber erfolgreich vertreten.
Vielen Dank für das Gespräch!
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