Archivfunde: Vom zonalen zum überzonalen Sport

In unregelmäßigen Abständen wird unser Archivbeauftragter Tarik Orliczek (Alumnus der Uni Marburg und Doktorand der Uni Graz) in dieser mehrteiligen Reihe Funde aus dem adh-Archiv vorstellen. Seitdem er 2022 mit der Neustrukturierung und Erschließung des Bestands begonnen hat, sind ihm einige bedeutsame, amüsante und schöne Geschichten aus 75 Jahren adh in die Hände gefallen.

 

Den „alten adh-ler*innen“ werden manche dieser Anekdoten sicherlich bekannt sein und dürfen gern alte Erinnerungen wecken. Da der Verband seit jeher jedoch von einer hohen Fluktuation und engagierten Studierenden geprägt wird, schadet ein Blick zurück auch hier sicherlich nicht. Vielmehr lässt das Vergangene doch das Neue klarer sehen, denn: Nani sumus gigantum humeris insidentes – Wir sind Zwerge auf den Schultern von Riesen.

Auch wenn die Funde nicht chronologisch vorgestellt werden, liegt es vermutlich auf der Hand, mit welchem Dokument diese Reihe zu beginnen hat: dem Gründungsprotokoll.

Teil 1: 

Als sich während der ersten Nachkriegsjahre in den westlichen Besatzungszonen von nationalsozialistischen Idealen und einer politisch vereinnahmten Leibeserziehung abgewandt wurde, waren in dieser Zeit die ersten Grundsteine für eine emanzipatorische Wiederaufnahme des Hochschulsports in Deutschland gelegt. Neu waren vor allem die Strukturen der studentischen Selbstverwaltung in den Besatzungszonen, die Abschaffung des Pflichtsports an Hochschulen und die damit zusammenhängende Entstehung der AStA-Sportreferate. Eine gänzliche Nullstunde des Hochschulsports gab es jedoch nicht, denn auch wenn sportliche Wettkämpfe zu dieser Zeit lediglich auf Zonenbasis erlaubt waren, befand sich der Hochschulsport in der britischen und amerikanischen Besatzungszone nach Kriegsende schnell auf einem recht hohen Niveau. Sicherlich war auch die sportliche Infrastruktur massiv beeinträchtigt, aber vor dem Hintergrund, dass sich bereits rasch nach einzelnen zonalen Wettkämpfen 1946/47 in einigen Sportarten die Meister der britischen und amerikanischen Besatzungszone bereits ab Herbst 1947 zu Vergleichen trafen, handelt es sich bei dem Schritt über die Zonengrenzen hinweg um einen organischen Fortgang der Hochschulsportentwicklung in der Nachkriegszeit.

Dennoch: es gehörten vermutlich auch etwas Glück und ein gutes Maß an studentisch-optimistischer Tatkraft dazu, dass sich auf Einladung der Zonensportreferenten Walther Kolb (Marburg, US-Zone) und Ludwig Trummer-Sievers (Köln, Brit. Zone) vom 31. März bis zum 2. April 1948 in Bayrischzell 26 studentische Hochschulsportreferenten aus allen vier Besatzungszonen versammelten – und das trotz der damals überaus eingeschränkten Reisemöglichkeiten und noch nicht wirklich existenten finanziellen Mitteln.

Das (Wort-)Protokoll dieser Konferenz gibt einen Einblick in den unterschiedlichen Stand des Hochschulsports der einzelnen Besatzungszonen. Es werden im Verlauf überzonale Wettkämpfe für zwölf Sportarten in – sofern möglich – allen vier Besatzungszonen festgelegt sowie über die Auswahl und Organisation der studentischen Nationalmannschaften im Fußball und Handball diskutiert. So ist am 2. April 1948 mit „24 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen […] die Bildung einer ‚Arbeitsgemeinschaft deutscher Hochschulsportreferenten‘ beschlossen“.

Archivquelle:

Arbeitsgemeinschaft deutscher Hochschulsportreferenten (1948). Protokoll über die überzonale Konferenz der Hochschulsportreferenten in Bayrischzell vom 31.3. - 2.4.1948 [adh-Archiv].

Weiterführende Literatur:

Milde, C. (1998). Der Hochschulsport nach 1945. Zwischen neuen Wegen und alten Geschichten. In V. Burk & ders. (Hrsg.), Stationen einer Reise – eine Hommage an 50 Jahre Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband (S. 33-43). Butzbach-Griedel: Afra.

Nitsch, F. (1992). Der Hochschulsport nach dem Zweiten Weltkrieg in der Phase der Rekonstituierung (1945-1953). In: Sozial- und Zeitgeschichte des Sports, 6(3), S. 7-46.