Teil 2:
Die noch junge AdH (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Hochschulsportreferenten)bemühte sich rasch nach ihrer Gründung schon um internationale Begegnungen, doch sollte ein Zufall dazu führen, dass die erste deutsche Delegation, die nach dem Zweiten Weltkrieg an internationalen Wettkämpfen teilnehmen durfte, ausgerechnet eine studentische war.
Die ebenfalls in dieser Zeit neu gegründete internationale Dachorganisation des Hochschulsports, die FISU (Fédération Internationale du Sport Universitaire), wollte nämlich 1949 zusammen mit dem italienischen CUSI (Centro Universitario Sportivo Italiano) die I. Internationale Hochschulsportwoche veranstalten. Nach schwierigen Verhandlungen mit den Sportverbänden über Wettkampfort und -zeit sowie aufgrund der Tatsache, dass sich im Ost-West-Konflikt neben der FISU auch die IUS (International Union of Students) als Weltverband des Hochschulsports verstand, wurden ab Mai 1949 Einladungen an diejenigen westlichen Länder verschickt, die sich bei der Gründung der FISU am aktivsten einbrachten. Diese ersten Briefe luden europäische Studierende nach Rom oder Mailand ein, bevor die Entscheidung über den Austragungsort schließlich zugunsten von Meran getroffen wurde. Obwohl Deutschland nicht zu den Gründungsmitgliedern der FISU gehörte und vom internationalen Sport aufgrund der Kriegsverbrechen ausgeschlossen war, landete eine Einladung per Telegramm Mitte Mai auch in der Geschäftsstelle der AdH. Darin hieß es:
„Italien organisiert mit Zustimmung der FISU in Mailand oder Rom in der letzten Augustwoche internationale Universitätsspiele in Fußball, Leichtathletik, Fechten und Basketball. Wir schlagen vor, ein Treffen am 5. Juni in Mailand abzuhalten, um die Details der Teilnahme zu besprechen. Bitte teilen Sie dem CUSI die Anmeldung zu den Spielen und zum Treffen in Mailand im August mit. Grüße, Nostini, Präsident“ (Üs.: M.T.O.).
Mit der in fehlerhaftem Französisch geschriebenen Adresse „Comité Nationales Étudiantes […] Avenue Gare“[1] war nun aber eigentlich wohl das FISU-Gründungsmitglied Monaco gemeint. Doch da München auf Italienisch auch Monaco heißt, landete dieses Telegramm fälschlicherweise im bayrischen Postamt. Die Bleistiftvermerke zeugen vom Kopfzerbrechen, das die Sendung den Münchener Postmitarbeitenden bescherte. So überlegten sie, es weiter zum Französischen Konsulat zu schicken, und führten ein Adressprüfung durch. Auf der Rückseite lässt sich heute noch lesen, wohin es weitergeleitet wurde: „Rich. Vorhammer […], Fäustlestr. 3. Präsid. der National. universit. Sportkon. [?] für West-Deutschl.“ (Transkr.: M.T.O.; ohne Gewähr). Das Telegramm landete damit also in der damaligen AdH-Geschäftsstelle.
Als der Austragungsort vom CUSI entschieden war, führte dieser Irrläufer letztlich dazu, dass die AdH als erste Sportorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg tatsächlich rund 100 Personen für die Zeit vom 28. August bis 4. September 1949 nach Meran entsenden durfte. Noch dazu waren die deutschen Athletinnen und -athleten dort sogar sehr erfolgreich.
Archivquelle:
Telegramm vom 14.05.1949 aus Rom, gesendet von Renzo Nostini (CUSI), nachgesendet an Richard Vorhammer (AdH) [adh-Archiv].
Weiterführende Literatur:
Lesnykh, L. (2021). Le sport universitaire international au défi de l’autonomie (1919-1961). Dissertation, Université de Lausanne.
Vorhammer, R. (1998). Szenen der Gründungszeit des adh. In V. Burk & C. Milde (Hrsg.), Stationen einer Reise – eine Hommage an 50 Jahre Allgemeiner Deutscher Hochschulsportverband (S. 45-53). Butzbach-Griedel: Afra.
[1] In früheren adh-Publikationen zu dieser Anekdote (bspw. Vorhammer, 1998) wird stets von einer anderen, aber ähnlichen Adresse gesprochen: „Fédération du Sport Universitaire, Monaco, 9 Rue de la gare“. Ein Telegramm, das genau diese Adresse nennt, ist (noch?) nicht im adh-Bestand aufgetaucht. Es könnte sich bei dieser Adresse um einen Überlieferungsfehler handeln, der auf eine autobiographische Erzählung von Vorhammer zurückgeht. Eine Verwechselung mit der oben genannten Bahnhofsallee wäre daher durchaus möglich. Eine Rücksprache mit dem FISU-Archiv ergab, dass es sich bei der Adresse wohl tatsächlich um die Hochschulsportorganisation von Monaco gehandelt haben könnte. Hinzu kommt, dass das Telegramm auf Französisch verfasst ist und wie weitere Einladungen im Mai 1949 versandt wurde. Dass es hier zu einer Adressverwechselung durch einen Zeitzeugenbericht kam, wäre daher recht wahrscheinlich.