Wer solche Fragen stellt, wird schnell fündig mit gehaltvollen Antworten in ganz unterschiedlichen Richtungen. Wenn wir jedoch gleich nach einer prägenden und alles verbindenden Linie suchen, die den adh vor allen anderen nationalen Sportorganisationen auszeichnet, dann ist der adh als ein („der“) Seismograf der Sportentwicklung in Deutschland zu würdigen. Diese Zuschreibung zum 75. adh-Geburtstag soll jedenfalls in diesem kleinen Beitrag schlaglichtartig mit ein paar Prädikaten knapp belegt werden. Viele Insider könnten diese seismografische Liste sicher noch weiter ausschmücken. Sie gilt es ohnehin zukünftig weiter fortzusetzen … in den nächsten 25 Jahren auf dem seismografischen Weg zum 100. adh-Geburtstag!
Der adh ist mit seinen über 200 Mitgliedshochschulen, die über zwei Mio. Hochschulsporttreibende aus allen Statusgruppen (Studierende und Bedienstete) umfassen, eigentlich ein Sportverband wie alle anderen… aber der adh unterscheidet sich eben auch von allen anderen. Im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) gehört der adh zu der Gruppe der Verbände mit besonderen Aufgaben. Seine besonderen Aufgaben prädestinieren den adh geradezu, als Seismograf der Sportentwicklung zu agieren. Die Älteren erinnern sich: Viel früher als die Sportvereine haben sich seit Beginn der 1970er Jahre die Mitgliedshochschulen im adh dem „Sport für alle“ zugewendet – vorzugsweise mit Breitensportangeboten im Kurssystem. Das hatte sich allein schon wegen der zeitlichen Dauer im Semester-Rhythmus flächendeckend überall angeboten. Viel früher schon als in Sportvereinen konnte der adh in den Mitgliedshochschulen professionelle Personal-Strukturen mit hauptamtlichen Fachkräften aufbauen etc. etc.
Der adh lebt von seiner ausgeprägten Diskussions- und Debattenkultur. Deren Fundamente sind die verbandlichen Gremien mit der „Vollversammlung“ (der 68er-Jargon lässt grüßen!) als höchstes satzungsgemäßes Organ. Hier kommen die Delegierten aller Mitgliedshochschulen von Kiel bis Konstanz und von Duisburg bis Dresden einmal im Jahr zusammen. Hier werden basisdemokratisch die „seismografischen Richtlinien“ für die (Neu-)Ausrichtung der verbandlichen Tätigkeiten beraten und festgezurrt. Dass hier stets und immer wieder neu ein sensibles Personal-Gefüge aus hauptberuflich im Hochschulsport Tätigen und sportaktiven Studierenden zusammenkommt und bestenfalls zusammenwächst, ist nach 75-jähriger Kontinuität mehr als nur eine Randnotiz wert: Vielleicht ist das sogar die seismografische Herzkammer des adh: Welcher andere Sportverband hat so etwas zu bieten: Hauptamtlicher Vorwuchs und studentischer Nachwuchs bestimmen im adh gemeinsam den Kurs (-wechsel). Ist der adh gar ein vorzüglicher Lernort unserer parlamentarischen Demokratie?
Der adh ist ein Sportverband mit einem besonderen Bildungsverständnis. Die architektonische Heimat sind schließlich Universitäten und Hochschulen, also Bildungsanbieter. Sie bieten per se ein geradezu einladendes Terrain für Bildungsmöglichkeiten im und durch Sport. Das Tandem-Mentoring ist nur eines der über mehrere Jahre anhaltenden Leuchtturmprojekte des adh. Hier werden Netzwerke aufgebaut, eigene Erfahrungen mit denen der anderen gespiegelt, um so am Ende „gestärkt“ die nächsten beruflichen Entwicklungsschritte im Hochschulsport oder anderswo anzugehen. Der adh war und ist ein verbandlicher Vorreiter für Frauenförderung, ähnliches gilt für Integration und Inklusion im (Hochschul-)Sport, betriebliche Gesundheitsförderung etc. etc.
Der adh ist wie kein anderer Sportverband: eine Talentschmiede. Dabei ist der Talentbegriff hier weniger sportlich zu verstehen, denn die meisten Wettkampfsporttreibenden im adh – sei es national bei Deutschen Meisterschaften (DHM) oder sei es international bei Meisterschaften des Weltverbandes FISU – bringen ihr sportliches Talent in aller Regel schon mit. Dafür hat der adh schon 1999 die Initiative „Partnerhochschule des Spitzensports“ auf den Weg gebracht. Über die Hälfte der adh-Mitgliedshochschulen haben sich inzwischen dem Verbundsystem zum Ausgleich spezifischer Nachteile von studierenden Athletinnen und Athleten angeschlossen.
Der adh ist aber seither auch eine markante Werk-Bühne für (soziale) Führungstalente, die später in Spitzenpositionen des Sports oder außerhalb gelandet sind. Stellvertretend für viele Frauen und Männer sei an dieser Stelle das adh-Ehrenmitglied Prof. Walther Tröger (1929-2020) namentlich genannt und mit seinem breiten Wirken in Erinnerung gerufen. Walther Tröger war von 1953 bis 1961 (erster) hauptamtlicher adh-Generalsekretär, später Geschäftsführer und danach Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) sowie Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) – mehr geht eigentlich nicht, aber eingestiegen in den adh war Walther Tröger als ehrenamtlicher Basketball-Obmann während seines Jurastudiums an der Uni Erlangen.
Der adh hat das bisher größte Veranstaltungsprojekt seiner Verbandsgeschichte gerade vor sich: Die FISU Games in Rhine-Ruhr 2025. Auch diese Spiele sollen als Chance genutzt werden, neue und nachhaltige Konzepte für Sportgroßveranstaltungen zu erproben. Gerade dabei kann der adh seine Stärke als verbandlicher Seismograf der Sportentwicklung ins Spiel bringen – zum einen vor Ort bei den Wettkämpfen bzw. im Drumherum, und sodann mit weltweiter Resonanz in den (sport-)politischen Echokammern. Ist dieser Ausblick auf 2025 nicht auch ein schönes Geschenk voller Vorfreude zum 75. heute?
Autor: Prof. Dr. Detlef Kuhlmann